Über stinkende Mama-Tabus
Neulich hörte ich die Sprachnachricht einer Freundin ab. Selbst Mutter zweier kleiner Kinder.
Was sie sagte, hatte ich schon hundertmal ähnlich von anderen Freundinnen gehört. Wohlgemerkt: Freundinnen. Also vertraute Frauen. Leute, gegenüber denen ich selbst authentisch und offen von mir und den dazugehörigen schönen und hässlichen Dingsbumsen meiner Welt erzähle.
So. Also was sie da plapperte, war in etwa Folgendes:
“Das klingt jetzt vielleicht fies. Ich übertreibe natürlich ein bisschen, wenn ich das sage: Aber manchmal, nach einem langen, anstrengenden Tag, da kann ich abends Mathildas Stimme einfach nicht mehr hören. Also natürlich liebe ich meine Kinder über alles, und ich genieße auch total die Zeit mit ihnen, gar keine Frage! Aber in manchen Momenten wünsche ich mir mal Stille und nur Zeit für mich. Das soll jetzt wirklich nicht so negativ klingen! Ich bin wirklich froh über jede Minute mit meinen Kindern.“
Analysieren wir das mal:
Ich hab manchmal die Schnauze voll von meinen Kindern und will mehr Zeit für mich. Da dieses Bedürfnis und mein Empfinden allerdings dem größten gesellschaftlichen Tabu aller Zeiten unterliegen, wage ich das nur abmildert zu sagen, und muss vor, während und zwischen meiner Aussage betonen, dass ich selbstverständlich keine Rabenmutter bin, sondern meinen Kindern eine grundsätzlich positive Haltung gegenüber habe und alles für sie tun will.
Ich fühle das Tabu auf mir wie einen zentnerschweren Sack, weil noch nie eine andere Frau mir gegenüber ehrlich ausgedrückt hat, dass sie ihre Kinder manchmal als Belastung empfindet. Deshalb schäme ich mich ein wenig für meine Gefühle und die leichte Überforderung und geißle mich selbst zur Strafe mit Vorwürfen und dem Gefühl, eine schlechte Mutter zu sein.
Liebe Gesellschaft,
kannst du nicht mal chillen?
Lass die Mütter in Ruhe!
Sie sind mit ihrer unfassbar wichtigen und anstrengenden Aufgabe eh kaum wertgeschätzt. Musst du sie noch zusätzlich drangsalieren, indem du ihnen irgendwelche Gebote in den Kopf pflanzt, die sie zusätzlich schikanieren?
Darf man nicht zugeben, dass man im Wochenbett depressiv, überfordert und niedergeschlagen ist? Obwohl man für diesen kleinen neuen Menschen rund um die Uhr Schlaf, Sorgen und Wohlbefinden opfert?
Darf man nicht zugeben, dass die Idee von der Kind-Karierre-Vereinbarkeit völliger Bullshit ist und nur Magengeschwüre, Haarausfall und Dauerstress verursacht?
Darf man nicht zugeben, das das 7 Millionste Warum einfach ein verdammtes Warum zu viel war? Obwohl man “Warum …..“ schon geduldig und ins kleinste Detail mit allen zwanzig Unter-Warums beantwortet hat?
Warum muss man die Liebe zu seinen Kindern tausendmal beteuern, nur um eine kleine ehrliche Schwachstelle möglichst vorsichtig anzudeuten? Obwohl es doch das allernormalste dieser Welt ist, dass eine Mutter nichts mehr lieben kann als ihr Kind?
Warum muss man ständig Heilewelt auf Social Media spielen und gestylt und überglücklich aussehen? Obwohl die normale Mutter einen gerupften Dutt, Augenringe und Flecken auf der Jeans hat?
Warum muss man ständig behaupten, der Spross sei brav und pflegeleicht, alles liefe super? Obwohl die Trotzanfälle, das Mobbing, die Pubertät einem den Schlaf und den allerletzten Nerv rauben?
Warum ständig relativieren? Warum andauernd beteuern? Warum nur vorsichtig andeuten?
Die wissenschaftlich psychoanalytische Antwort gibt’s in meinem Maaz-inspirierten Artikel über das verlogene Ideal der perfekten Mutter.
Mein eigener schlichter Aufruf dazu ist Folgender:
Mütter, Mamas, Muttis und Moms dieser Erde:
Spielt diesen Mist nicht mehr mit. Seid ehrlich, seid authentisch, baut euch gegenseitig auf. Versucht nicht, euch gegenseitig zu übertrumpfen – wer die schönste, schlankste, perfekteste Mutter mit den besten, klügsten, talentiertesten, bravsten Kindern ist.
Traut euch, all die verlogenen Tabus zu brechen und haltet zusammen!
Ihr leistet alle Wunderbares und Unfassbares. Eure Liebe, eure Kraft, eure Mühen und eure Herzenswärme, eure 24/7 Schicht … Das ist ein wahnsinniges Geschenk an euer Kind. Und die gesamte Gesellschaft!
Und euer Kind. Egal ob dick, dünn, mit Karies, mit Rotz am Bein, mit einer Vier in Mathe oder problematischen Freunden – es ist das beste und liebenswerteste Kind, das die Welt je gesehen hat. Ein großartiges Individuum, dessen Existenz ein Geschenk des Universums ist.
Das war’s.
Dass es euch in den Wahnsinn treibt, euch manchmal nervt, ankotzt, anstrengt, überfordert, ihr einfach mal Abstand braucht – was auch immer!
Das ist schlichtweg:
Okay!
Alles klar? Keiner muss sich rechtfertigen für seine Empfindungen und seine Bedürfnisse.
Die sind weder gut noch schlecht. Sie sind. Punkt.
Das schmälert nicht eure Liebe, Hingabe und euren Wert als Mensch und Mutter.
Aber genau das seid ihr: Mutter UND Mensch. Bloß Menschen.
Bleibt menschlich.
Wärmste Grüße
Eure Anne
PS: Wenn du so großartige Mütter als Freundinnen hast, teil den Artikel gerne mit ihnen. Gegen verlogene Ideale und Mama-Tabus.
Gesellschaftliche Tabus, Selbstbewusstsein für Mütter, Tabus
Tabea
In einem Buch habe ich mal gelesen:“Es ist normal, dass du manchmal dein Kind gegen die Wand klatschen möchtest – es ist nicht normal es zu tun“
Ich sehe es genauso: man darf genervt sein, man darf sich Zeit ohne Kind wünschen, man darf das sagen.
Ich hasse diese Tabus und deshalb sage ich den Leuten es auch so wie es ist. In der Hoffnung, dass ich diese Ehrlichkeit zurückbekomme. So ist doch allen viel mehr geholfen.
Jedoch bleibt trotz allem eins: das schlechte Gewissen so zu fühlen. Abstellen konnte ich es noch nicht.
Anne Albinus
Zu schlechtem Gewissen bald mehr direkt im Blog. So viel vorweg: Nimm es uns vergrab es im Garten.
Oder schau auf instagram weltfremd_mamablog noch heute in meine Story: Da hab ich ein herrliches Zitat von Familylab.de drin. 🙂
Maria
Das ist so wichtig über genau diese Ideale, Erwartungen mal ehrlich zu reflektieren. In dieser Corona-Homeoffice -Zeit jonglieren wir die Erwartungen, die wir als Mutter gegenüber unseren Kindern haben (gesundes Essen – täglich ausreichend Vitamine und Abwechslung, pädagogisch sinnvolles Spielzeug und genug Aufmerksamkeit, damit das Kind sich in seinem freien Spiel verlieren kann) und den Erwartungen der Kollegen, Chefs, Mitarbeiter im Beruf.
Wie soll ich meine Termine vorbereiten, professionell durchführen, nachbereiten und nebenbei den Kleinen mit dem Kopfhörer auf dem Kopf die Aufmerksamkeit bieten, die er braucht? Immer präsent und Ansprechbar sein für die Bedürfnisse meiner Mitarbeiter und meinem Chef bei den anstehenden strukturellen Veränderungen, die so eine Krise mit sich bringt, mit frischen Ideen und Konzepten unterstützen?
Der Tag endet manchmal in Tränen, in Frustration, in Gewissensbissen und dem Gefühl NICHTS zu schaffen und NICHT gut genug zu sein. Wenn dann jemand fragt: na? Schafft ihr die Situation, wird es mit einem Lächeln bejaht. Klar, alles im Griff. Alles Andere wäre Schwäche.
Das ist Falsch, vielleicht müssen wir die Gesellschaft erziehen durch mehr Offenheit, um den Frauen den Druck zu nehmen.
Danke für den Blog- ich finde es klasse.
Anne Albinus
Liebe Maria,
danke für deinen ausführlichen, wertvollen Kommentar. Bei uns enden auch viele solcher Tage mit Tränen (auf allen Seiten), und das gebe ich gerne zu. Du hast das so treffend beschrieben!
Ich wünsche dir und deiner Familie alles Liebe.
Anne
Heidi Heran
Danke für diese Zeilen!!!! Meine Kinder sind zwar schon erwachsen, aber dieser Druck zur wunderbaren Übermutter hat mich immer sehr belastet. Sogar noch heute quält mich zwischendurch das schlechte Gewissen, obwohl mir meine Kinder sagen, dass ich eine liebe Mutti bin. Sie sind warmherzig und großzügig, Gott sei Dank! Dieser überflüssige Anspruch, eine Heilige sein zu wollen, hilft weder den Kindern noch uns Müttern.
Anne Albinus
Liebe Heidi,
ich freue mich, dass diese Gedanken dir etwas geben können. 🙂 Danke für deine Rückmeldung!
Alles Gute
Anne
Anna Hiller
Liebe Anne,
das ist tatsächlich mein erster Kommentar zu einem Pin.
Aber dein Text ist es einfach wert, dass jetzt zu tun: Du triffst es so dermaßen auf den Punkt, ich finde mich in allem absolut wider.
Selber Mutter von drei Jungs und manchmal mit meinen Kräften am Ende und mit dem Wunsch mal den ganzen Samstag Netflix zu glotzen
Ich habe keine Lust mehr dem Vorstadtideal einer Mutter zu entsprechen, es raubt mir meine Kraft, meine Nerven. Ich bin gerne die Mutter die mal kräftig über den Spielplatz brüllt, wenn sich meine Männer mit Stöcken die Köpfe einhauen.
Die Mütter die es nicht stört, gerne her damit. Alle anderen können gerne in ihrer perfekten Welt bleiben.
Tausend Dank an dich und deine tollen Worte.
Alles Liebe für dich und deine Familie,
Anna
Anne Albinus
Liebe Anna,
ich habe ein breites Grinsen im Gesicht, während und nachdem ich deinen Kommentar gelesen habe. Ich danke dir dafür!
Auch deinen Jungs und dir alles Gute. 🙂
Anne
Cornelia
Hallo.
Das ist das Beste, ehrlichste und beruhigendste was ich seit langem gelesen hab. Ich schreibe nie Kommentare, aber das hier spricht mir aus der Seele!! Ich bin dieses Bullshitbingo der Übermütter einfach leid und schwimme schon seit langem gegen den Strom mit meinen 3 Jungs. Soll mich halt jeder blöd anschauen wenn ich sage wie es wirklich ist ( man muss betonen das ich einen großen und dann Zwillinge habe ) es gibt Momente da frag ich mich einfach was ich mir dabei gedacht hab ich hoffe zutiefst das in unserer Instagram geprägten Gesellschaft die Wahrheit unter uns Müttern einfach wieder mehr und selbstverständlich wird
Viele Grüße
Conny
Anne Albinus
Liebe Cornelia,
schön, dass dir diese Gedanken etwas geben konnten. Ich wünsche dir und deinen Jungs alles Gute. Halte durch und bleib ehrlich. 🙂
LG Anne
Ostseefrau
Vielen Dank für den Text, er hat mich zum richtigen Zeitpunkt erreicht. Seit 2 Tagen reicht es mir. Ich mache einfach nix mehr für meine Familie. Ich kann einfach nicht mehr. Seit 4 Monaten mit einer 3 jährigen 24 7 zusammen, davon 3 Monate einzige Spielgefährtin, fast 3 Monate einen 14jährigen Jungen, der gefühlt minütlich fürs onlinelernen motiviert werden musste….Tränen, Geschrei, Wäsche, Essen, Einkaufen und dazwischen 43 Pferdefiguren bewegen mit spannender Geschichte. Ach ja, schreibe grad noch meine Masterarbeit, weshalb ich täglich 5.00 Uhr aufstehe. Der Papa nur am We da. Und dann sage ich zu einer Freundin am Abend eines solchen Tages, dass ich einfach keinen Bock mehr habe, mit meiner Tochter zu spielen. Ihre Antwort: „Dann hättest du wohl keine Kinder bekommen dürfen“. Ich war sprachlos, fassungslos, gedemütigt. Da habe ich mich mal „gehen lassen“ und dann das. Die Welt will keine genervten Mütter. Alle müssen immer super perfekt und ruhig und gerecht sein. Ich kann das nicht mehr. Der Druck funktionieren zu müssen, immer die Maske oben behalten zu müssen, ist nicht mehr auszuhalten.
Danke für die ehrlichen Worte….gibt es viel zu selten
Anne Albinus
Liebe Ostseefrau,
mich bewegt dein Kommentar wirklich sehr.
Ich kann nicht fassen
1. wie du unter diesem enormen Druck die letzten Monate überstehen konntest, ohne zur Amokläuferin zu werden und
2. wie diese „Freundin“ nur so blind und herzlos reagieren kann. Ganz ehrlich: Dafür hab ich null Verständnis.
Es tut mir wirklich leid, dass du so gedemütigt wurdest, obwohl du hättest eigentlich als Heldin gefeiert werden müssen! Auch wenn wir uns nicht kennen, kann ich dir nur ehrlich sagen, dass ich wertschätze und bewundere, was du jeden Tag (indirekt für die gesamte Gesellschaft!) leistest. Du bist ein Superstar und deine Kinder haben eine großartige Mutter!
Diesen Satz „Dann hättest du halt keine Kinder kriegen sollen“ haben sich in der Coronazeit so viele Eltern anhören müssen. Ich denke mir dabei immer nur WHAT THE FUCK, in WAS für einer Gesellschaft leben wir?? Die Art, wie wir normalerweise (also ohne Coronamaßnahmen) leben, ist an sich schon alles andere als artgerecht und eine Zumutung für Eltern. Falls du Zeit und Nerven hast – das Thema gibt es hier bei mir:
https://www.weltfremd.net/artgerechtes-leben-als-familie-weniger-stress-im-alltag-18/
Vielleicht gibt dir der Artikel ein gutes Gefühl und ein paar Inspirationen. Keine Mutter sollte so lange und unter so viel Leistungsdruck mit ihren Kindern alleine gelassen werden. Keine! So hat sich das die Natur nicht gedacht. Menschen sind Sippentiere – sie BRAUCHEN die Gemeinschaft, um Kinder gesund großziehen zu können. Dieser Dauerstress ist unzumutbar – für alle drei.
Bitte lass dich von solchen widerlichen Sprüchen nicht davon abhalten, weiterhin authentisch zu sein. ♥ Jede andere Mutter würde dich verstehen! Mütter, die nicht genervt sind … gibt es die überhaupt? Und sind wir deshalb schlechte Mütter? Nie und nimmer!
Ich wünsche dir wirklich von Herzen, dass die Masterarbeit bald in Sack und Tüten ist. Ich hatte damals mit Baby auf dem Arm nur eine Motivation beim Schreiben: Hass! Ich wollte diese dämliche Masterarbeit einfach nur killen, und so hab ich auch getippt – wie ein Wahnsinniger. 😀 Die Monate nach Abgabe waren die besten meines Lebens. Sag dir: Es gibt ein Leben nach der MA, es gibt ein Leben nach Coronahomeschooling. Und du wirst entgegen deiner Freundin noch in 20 Mio Momenten dankbar und froh sein, dass du deine Kinder hast. Und sie werden genauso dankbar sein dafür, was du für sie geleistet hast. Aber das Wichtigste ist: Dein Wert hängt nicht von deiner Leistung hab. Auch wenn du die Nerven verlierst – du bist wertvoll. Auch wenn du keinen Bock mehr aus Bespaßung hast und sagst: Jetzt kümmere dich mal! – du bist wertvoll. Auch wenn deine Masterarbeit bröckelt – du bist wertvoll.
Wenn es IRGENDWIE geht: Sorge für dich! Verlängere die MA-Frist, heuere einen Babysitter an, schick heimlich eine Kündigung an die Arbeit deines Mannes. (Scherz. Hoffe, das versteht sich von selbst. 😀 )
Du bist die Hauptperson in der Familie. Und im Inneren wollen deine Kinder nur, dass es dir gut geht. Ich wünsche dir das. Du bist nicht allein. ♥
Alles Gute dir!
Anne
Kk
Oh ja. Die kinderlose Kollegin die ins Homeoffice posaunte: das weiß man doch, worauf man sich einlässt, wenn man Kinder haben will.
Ironie an: Klar, habe ich gewusst, dass Corona kommt. Wir zu viert im Homeoffice/Homeschooling sind.
Quasi ohne Außenkontakt.
Aber als Lehrer, Erzieher, Angestellter, Unterhalter, Köchin, Putzfrau, Mediator funktionieren muß. Noch was vergessen?
So war das Leben nicht geplant und nicht eingerichtet.
Und uns geht es gut, weil Garten und verlässlicher Job.
Nein, dass haben wir nicht gewusst ne geplant. Und deshalb darf man ich mal laut Scheiße schreien.
Übrigens nicht nur bei Corona
Anne Albinus
Danke für deinen Kommentar – deine Ergänzungen treffen den Nagel auf den Kopf.
Alles Gute euch!
LG Anne
Kati
Ganz ehrlich, dieses Scheingetue geht doch schon in der Schwangerschaft los. Ich habe mich bewusst dazu entschieden ein Kind zu bekommen. War dann doch schneller schwanger als geplant. Unsere Einstellung war: „wenn’s passiert, passierts und wenn nicht, dann nicht“. Nun ja, nun bin ich Schwanger und jeder vermittelt einem, dass man unheimlich glücklich darüber sein muss. Quasi durchgehend in einer Rosa Wolke gehüllt mit dämlichem Grinsen vor Babyglück sprühen muss. Überall liest man, das Schwangere kaum erwarten können bis der Babybauch wächst und blablabla…
mittlerweile fühle ich mich wie eine Außerirdische… ich möchte nicht das der Bauch wächst und ich finde es unangenehm das mein Busen immer größer wird, es nervt mich das ich nicht mehr tun und lassen kann was ich will, die Zukunft macht mir Angst.
Warum findet man darüber nichts im Netz? Warum schauen mich „Freundinnen“ erschrocken an wenn ich sage das ich nicht Stillen möchte weil ich momentan ein Gefühl der Abneigung bei diesem Gedanken bekomme. Ich habe Angst um meinen Körper, dass der Bauch nie mehr weg geht. Ich habe Angst davor wie sich meine Beziehung verändert, obwohl ich den tollsten Mann der Welt habe. Ich traue mir nicht zu sagen was ich wirklich fühle während der Schwangerschaft weil man überall auf Unverständnis stößt.
Anne Albinus
Liebe Kati,
danke für deinen ehrlichen Kommentar.
Es tut mir leid für dich, dass du dich 1. mit diesen Gedanken und Gefühlen rumschlägst und ganz besonders 2., dass du wenig/ keine wertfreie Anteilnahme erfährst.
Für mich klingen deine Sorgen berechtigt, und ich bin mir sicher, dass du mit ihnen nicht allein dastehst.
Wenn dich jemand bedrängt: “Jetzt freu dich doch mal! Und Stillen ist doch das Wichtigste überhaupt!“ – wäre es nicht sehr viel sinnvoller, menschenfreundlicher und respektvoller, einfach mal zu fragen: Warum geht’s dir nicht gut damit? Was sind deine Befürchtungen? Hast du genug Unterstützung? Wie steht’s um deine Selbstliebe? Wie fühlt sich dieser invasive kleine Mensch in dir an? Was macht der Gedanke des Stillens mit dir?
… und zwar nicht, um dich von irgendwelchen Idealen zu überzeugen, sondern um dir die Situation mit Wertschätzung leichter zu machen.
Schwangerschaft, Wochenbett und Mutterschaft im Allgemeinen sind – gerade im Internet – dermaßen verklärt und geschminkt. Du kannst dich glücklich schätzen, dass dir dass bereits in der Schwangerschaft und nicht erst schockartig im Wochenbett klar wird. Ich bin überzeugt, die meisten Frauen mit solchen Gedanken und Gefühlen verdrängen diese dann einfach – weil sie halt nicht ins gesellschaftliche Trugbild passen, und tun sich und ihren Kindern damit nichts Gutes.
Bleib authentisch, ich wünsche dir alles Gute!
… und wenn du eine Vorbereitung auf den “Wochenbettschock“ suchst – ich lese gerade “Jede Mutter kann glücklich sein“ von Inga Erchova. Klingt erstmal nach Insta-Happy, befasst sich aber schonungslos mit den psychischen Abgründe JEDER Mutter. (Auch die, die so tun als ob …)
Vielleicht gibt es dir Rückenwind und das Gefühl: Ich bin gut und richtig mit allem, was ich fühle.
Viele Grüße
Anne
Sarah Stauffer
Liebe Anne
Ich danke dir so von Herzen für deinen Artikel! Es tut so unendlich gut, deine Worte zu lesen – immer und immer wieder… Den zweiten Teil meiner Schwangerschaft verbrachte ich grösstenteils liegend wegen Komplikationen und war hauptsächlich zuhause und drinnen wegen Corona bzw. weil ich wegen Herzfehlern und Asthma Risikopatientin bin… Isoliert, täglich Schmerzen und irgendwann depressiv bekam ich besonders von Müttern zu hören, wenn ich mich traute, zu jammern, dass ich da einfach durchmüsse… Als dann unsere zauberhafte Tochter 4 Wochen alt war, mussten wir 3 Wochen mit ihr ins Kinderspital, weil sie eine Muskelproblene mit Trinkschwäche hat. Dort sass ich 24/7 auf einem Stuhl oder lag in einem Klappbett neben ihr. Auch da, obwohl ich voller Sorge und Angst war, meinen Rücken vor Schmerz kaum mehr bewegen konnte, hörte ich Verneinung meiner Ängste und Floskeln des „da musst du halt durch“ und „so ist das mit kind, du wolltest das ja“… Ich war so gedemütigt und fühlte mich so alleine mit meinen Empfindungen. Aufgrund des Gesundheitszustandes unserer Tochter konnte ich weder zur Geburtsnachsorge, noch in einen Rückbildungskurs gehen… Und ich mag gar niemandem mehr erzählen, wie erschöpft, wie schmerzgeplagt und wie traurig ich bin… auch nicht, dass ich mir das Muttersein und den Familienalltag oftmals anders vorgestellt habe. Gerade jetzt, wo mein Mann 4 Wochen im WK ist, möchte ich mal jammern dürfen und einfach ehrlich sagen, dass mich mein Kind nervt, wenn es seit zwei Stunden weint und seit Tagen wieder jeder Schoppen eine Nervenprobe ist. Wie du so liebevoll schreibst, ist es gar keine Frage, ob ich mein Kind liebe. Ich vermisse das Gehörtwerden und Verstandenwerden, gerade dann, wenn ich es am meisten brauchen würde. Ich danke dir herzlich liebe Anne, für deine wunderbaren Berichte und dein Einstehen für uns menschlichen Mütter
Anne Albinus
Liebe Sarah,
ich schicke dir eine fette Portion Mitgefühl!
Danke für deinen ehrlichen und authentischen Kommentar.
Ich wünsche dir von Herzen alles Liebe. ♥
Anne
Janine
Liebe Anne,
ich möchte jetzt auch einfach mal jammern dürfen. In meiner Familie kann ich mit keinem wirklich darüber reden und wenn dann höre ich auch nur solche Sprüche wie die anderen Frauen schon schrieben. Ich bin fast 40 Jahre und habe schon 2 größere Kinder (17 und 13) und mit meinem zweiten Ehemann jetzt noch mal einen fast 2 jährigen und ein 5 Monate altes Mädel. Ich habe mich mit der Situation noch mal 2 kleine Kinder abgefunden ( die kleine ist unser kleines Abenteuer..so nenn ich sie..da sie nicht mehr geplant war) und ich genieße auch jede Sekunde und trotzdem habe ich manchmal das Gefühl ich müsste ausbrechen. Es gibt immer solche und solche Tage, aber wenn es ein schlechter Tag war würde ich am liebsten nur weinen. Geht aber nicht, weil ich ja nie alleine bin und ich auch schlecht Schwäche zeigen kann. Aus Erfahrung von meinen beiden großen Kindern weiß ich wie schnell die Zeit vorbei geht und das auch andere Zeiten kommen. Trotzdem habe ich mir geschworen das ich im nächsten Leben ein Mann werde!!! Keine Schwangerschaft, keine Schmerzen, keine versaute Figur, kein Stillen und kein immer präsent sein. Einfach los gehen wann man möchte..seinem Hobby nach gehen..Freunde treffen..durchschlafen usw usw. Überall da tankt doch der Mann seine Kraft..und wo tank ich meine Kraft?? Und wenn ich dann jammere versteht es keiner. Einfach mal ein „hey, du machst einen tollen Job“ oder „du kannst stolz auf dich sein“ würde mir schon Kraft und Energie geben. Ich muss wirklich aufpassen das ich nicht „verrückt“ werde. Aber wem sagt man sowas? Und wenn, dann glaubt es mir doch keiner. Oder??
Danke das ich mich mal öffnen und mein Leid klagen durfte.
SophiesMama
Ich liebe diese 1-2 h wenn meine Tochter im Bett liegt und ich ruhig neben dem babyphone irgendeinen Kram streamen kann. Da ich alleinerziehend bin hab ich kaum Zeit für mich. Morgens auf dem wen zur arbeit ist die Planung des Nachmittags an der Reihe, Kind muss nach tagesmutter schließlich bespaßt werden. Einkaufen, Freizeit usw. Stehen auch noch auf dem Plan. Morgens spielt sie im Badezimmer wenn ich Dusche.
Sie ist 14 wunderschöne Monate alt. Aber diese 1-2h jeden Abend. Die Liebe ich, Zeit einfach nur für mich…
Also mach dir nichts draus, ich bin auch egoistisch. Aber unserer kleinen Familie geht es wunderbar, auch ohne Papa.