Liebe und Geborgenheit oder toxische Beziehung? Vom Unterschied zwischen Verstrickung und Verbindung
In ehrlichen Herzensverbindungen gibt es klare Grenzen: Ich bin ich und du bist du, und gemeinsam bilden wir ein angenehmes, warmes Wir. ♥
Was viele allerdings in ihrer Ursprungsfamilie erfahren, ist nicht wirklich Liebe, Fürsorge und Verbindung, sondern VERSTRICKUNG. Bei Verstrickung, bspw. zwischen Mutter und Tochter, ist die Mutter unklar in ihrer Identität und gefangen in Überlebensmechanismen. Die Tochter übernimmt dann Verantwortung für ihre Mutter und passt sich an: Sie hat vielleicht „zufällig“ die gleiche Lieblingsfarbe oder ist immer brav, um Mama nicht zu überfordern, etc.
Wie fühlt sich der Unterschied zwischen Liebe und Verstrickung an?
Das Gefühl für ein Kind ist dabei jeweils extrem unterschiedlich: Die Anteile bezeichnen Verstrickung oft metaphorisch als „klebriges Spinnennetz“, „gefährliche Seile oder Tentakel, die einen festhalten“ oder als „steifes Gefängnis, in dem ich mich nicht bewegen kann“. Verstrickung tarnt sich übrigens gerne: vielleicht als extreme Hilfsbereitschaft, ganz viel Kuscheln (das eigentlich die Eltern brauchen und nicht dem Kind gilt) oder übermäßigem Sorgenmachen. Wahre Verbindung aber empfinden unsere Anteile (bzw. wir selbst als Kinder) als Wärme, Geborgenheit, Freiheit und Leichtigkeit.
Wie löst die Psyche den Widerspruch?
Bewusst nimmt ein Kind Verstrickung NICHT wahr. Als Überlebensstrategie SPALTET es den Persönlichkeitsanteil AB, der die ungesunde Schein-Verbindung als fesselnd erlebt, wütend und traurig ist.
Problem erstmal gelöst: „Ich bin doch SO GERNE die Geheimniswahrerein meiner Mama, und ich bin auch üüüüberhaupt nicht wütend auf sie!“
Später stellt sich als langer Rattenschwanz aber vielleicht ein diffuser Bauchschmerz, ein übertriebenes Verantwortungsgefühl oder Beziehungsunfähigkeit ein.
Mehr über Entwicklungstrauma und Überlebensstrategien findest du in: Psychologisches Basiswissen für Eltern.
Die Anteile, die Verstrickung (immer noch!) fürchten und ablehnen, die haben keine Liebe ohne klebrige Tentakel erlebt. Sie unterstellen der restlichen Menschheit: Beziehung sei wohl immer Gefangenschaft, grenzüberschreitend oder toxisch? Dann reinszenieren wir unbewusst vielleicht ständig Beziehungsunglücke oder machen in emotionaler Abhängigkeit den Partner/ die Partnerin zum Elternersatz.
Details dazu gibt es in diesem Artikel über unbewusste Reinszenierung.
Es gibt einen Ausweg
Das Schöne ist: Wir dürfen diese Anteile mit ihrer Wahrheit und ihren unangenehmen Gefühlen aus der Spaltung zu uns zurückholen. Wenn wir ihnen glaubhaft und fühlbar versichern, dass sie NICHT mehr in Verstrickung landen, dann können sie in Kontakt mit UNS selbst gehen.
(Meine Lieblingsmethode dazu ist die Selbstbegegnung nach IoPT. Meine Konditionen findest du in der Angebotsübersicht.)
Und DANN können sie ihre Abwehrspannung aufgeben und auch in der äußeren Welt erfahren, wie ECHTE Verbindung geht – von einem Ich zum anderen Ich. ♥
Ich wünsche dir echte Verbindung zu dir selbst. ♥
Herzensgrüße
Anne
Weiterlesen? Wie wär’s damit:
- Reifes Verantwortungsgefühl oder toxischer Druck? Wie reagierst du auf die BO-Bubble?
- Warum es sinnlos ist, Kinder, Familien und Eltern zu vergleichen: Eine Geschichte
- Bewertung und Überanpassung: Ja zu den Anderen, Nein zu mir selbst
- Wozu das Psychozeug? Ein Kommentar über die Wichtigkeit elterlicher Selbstreflexion
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Jale
Liebe Anne,
wie immer bist Du eloquent und super spannend!
Auch Dein voriger Post hat mir sehr gut gefallen.
In der Tat hatte meine Mutter sehr viel Liebe für uns und hat es trotz anderer eigener Prägung aufgrund ihrer eigenen Hochsensibilität geschafft, uns eine bedürftnisorientierte liebevolle Baby- und meistenteils auch Kleinkindzeit zu bereiten. Es wurde schwieriger, als ich mich als energisches und durchsetzungsstarkes Kind entwickelt habe – ich musste das Etikett „grobe ältere Tochter ist gemein zum lieben Baby“ erst auch für mich selbst wieder abschütteln!
Später jedoch hat meine Mutter, als ich Teenager war, depressive Episoden entwickelt – und ich als Älteste habe dann ziemlich viel alterunentsprechende Verantwortung getragen. Meinem Vater ging es in dieser Zeit auch schlecht und er war also keine Stütze, insgesamt hat er sich auch in seine eigenen Kindheitstraumata verwickelt (hochsensibel, alleingelassen und emotional nicht aufgefangen worden als Kind, er trägt ein ungeheures Misstrauen gegen alles und jeden in sich). Teilweise fiel meine Mutter mir gegenüber in die Rolle des hilflosen, verlassenen Kindes zurück. Sie hat selbst mit 4 Jahren eine traumatische Trennung erlebt (1 Jahr 600km von den Eltern entfernt gewesen, weil diese ein Haus bauten, ohne Kontakt dazwischen – schwarze Pädagogik der 50er-Jahre eben…) und dieses Trauma eigentlich nicht aufgearbeitet (viele andere Prägungen hingegen schon, das muss man zugestehen). Ich hatte einige Arbeit, mich von diesem Verstrickungsanteil abzugrenzen, insbesondere als wir für einige Zeit in der Nähe wohnten – aber es ist letztlich gut geglückt und ich habe mit meiner eigenen Familie ein wunderbares Leben.
ich bin nunmal ein „Verantwortungsbärchen“ 😉 aber bin selektiv geworden, wo ich die Verantwortung aufnehme und wo nicht. Auch meine Patentante (ebenfalls ein Verantwortungsbärchen) hat mir das gut gespiegelt!
Meine Eltern sind ein bisschen wie Hänsel und Gretel allein im Wald, aber kommen eigentlich gut zurecht – jedenfalls brauchen sie mich als Retterin nicht.
Aber ein bisschen was mit dem Retten und der Verantwortung ist im Positiven bei mir geblieben – ich liebe nämlich meinen Job als Notärztin 😀
Jedenfalls – meine große Tochter ist auf ihre Art „auch“ willensstark, dazu noch lebenssprühend, mutig und gesellig – und „I feel her“ – ich schaffe es tatsächlich (meist), sie nicht negativ zu etikettieren, sondern sie so emotionsstark zu lassen wie sie ist und bestätige sie dabei, dass es gut ist, dass sie ihre Grenzen behauptet. Wie viele müssen das später mühsam wieder fühlen lernen? Mittlerweile gelingt es mir ziemlich gut, ihre Emotion einfach zu benennen („Du bist arg wütend auf mich gerade“) und dann einfach zu trösten und mein Puls selber geht kein Stück mehr hoch dabei :D. Aber es war ein Weg.
Bei der Kleinen (knapp 2) funktioniert das „abgemilderte Spiegeln“ der Emotionen in der akuten Wut („Katze weg! Oh Nein!!! Wut!! Traurig!!“) schon seit langem recht gut. Aber – niemand ist perfekt – es ist ein Weg und die beiden sind unsere Lehrmeisterinnnen 🙂
und Du mit einem guten Artikel jeweils ebenfalls 😉
Zum Glück habe ich seit vielen Jahren einen ganz fantastischen präsenten Ehemann an meiner Seite, und wir sprechen viel über die Prägungen unserer Eltern, die Etiketten, die wir im Kopf haben und darüber, dass wir unsere Kinder positiv sehen – im Zweifel sind die Kinder ja immer die Schwächsten, auf deren Kosten nicht optimal laufende Beziehungssysteme „stabilisiert“ werden.