Alles Verhalten ist Kommunikation Machtkampf mit Kleinkind

Machtkampf oder Kommunikation: Wie bringe ich mein Kleinkind dazu, sich anständig zu verhalten?

Ich lade dich herzlich ein, diese Gedanken zu teilen.

Hast du das schon erlebt? Du bist mit deinem Kind und schweren Tüten auf dem Weg vom Supermarkt nach Hause. Der Tag war anstrengend und du willst nur noch heim. Vorhin dachtest du: Ach, komm, wenn er unbedingt zu Fuß gehen will. Die 100 Meter schaffen wir. Aber nun? Er lässt sich auf einer Eingangstreppe zum Sitzstreik nieder. Du bist gedanklich schon in der Küche und bereitest das Abendessen vor. Aber dein Kind will eine Pause machen. Was jetzt? Machtkampf, Nachgeben oder Durchziehen?

Viel öfter, als du jemals erwartet hättest, findest du dich mit deinem Kind in Machtkämpfen wieder. Beim Zähneputzen, beim Aufräumen, beim Anziehen. Dein Kind will seinen Kopf auf deine Kosten durchsetzen. Oder?

Gesellschaftlicher Druck

Diese Gedanken sind verständlich. Der gesellschaftliche Druck, ein artiges, fügsames Kind großzuziehen, ist hoch.

Wenn du dich in einen Machtkampf mit deinem Kind verstrickt siehst, ist jedoch eine gute Zeit gekommen, einen Schritt zurückzutreten und zu reflektieren.

Wichtig dabei sind zwei Dinge:

  • Es tragen immer die Erwachsenen die Verantwortung für das Gelingen der Beziehung. Das heißt, du bist verantwortlich für diesen Machtkampf.
  • Dein Kind und du – ihr seid keine Gegner. Ihr beide steht auf derselben Seite.

Die Idee der Schwarzen Pädagogik – ein Kind sei ein zu korrigierendes Objekt, in das man nur A hineingeben müsse, damit B herauskommt – ist schlichtweg menschenfeindlich.

Dein Kind ist kein Objekt. Dein Kind ist ein Individuum. Schon als Baby ist es das.

Deswegen ist die Vorstellung von Machtkämpfen, in denen es Gewinner und Verlierer gibt, reines Gift für die Familienbeziehungen.

Bocken, Testen, Kopf durchsetzen

Die Generation unserer Eltern war oft noch der Ansicht, es schade Kindern, wenn sie allzu oft „ihren Willen bekämen“.

Die fragwürdige Grundannahme dahinter: Wenn dein Kind gewinnt, handelst du dir für die Zukunft Schwierigkeiten ein. Die hässliche Phrase „Sie will nur ihren Kopf durchsetzen!“ hast du sicher schon oft gehört. Sie begegnet dir vielleicht öfter, wenn dein Kind einen Wutanfall hat, quengelig oder ungehorsam ist . Sie baut einerseits Druck auf: Du musst ja schließlich eine „gute Mutter“/ „ein toller Vater“ sein. Und andererseits würdigt sie dein Kind herab, das in Wirklichkeit in emotionaler Not ist: Und zwar als ein egoistisches, rücksichtsloses Objekt, das dich testen, manipulieren, bloßstellen will.

Doch ist das Verhalten deines Kindes wirklich ein Austesten?

Die Wissenschaft sagt: Nein. Dazu erfährst du mehr in diesem wundervollen Buch: Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn.*

Jetzt sind wir spaßeshalber mal mutig …

Wenn du nun kühn die Idee von einem „Willenskampf“ zwischen dir und deinem Kind beiseite schiebst, kannst du auch schlichtweg: locker bleiben. Du kannst dich stattdessen erst mal fragen, welche Gefühle hinter dem Verhalten deines Kindes stehen?

In der Entwicklungspsychologie herrscht seit Jahrzehnten Konsens darüber, dass jedes Verhalten eigentlich bloß Kommunikation ist. Missglückte Kommunikation vielleicht. Aber trotzdem. Was will dir dein Kind also damit sagen, wenn es ausflippt und rebelliert? Lies dazu als Inspiration den Brief deines Kleinkindes an dich.

Wenn Kinder sich unangemessen verhalten, sind sie in Wahrheit in Not und können nicht kooperieren. Wichtig ist also herauszufinden: Warum geht es dir gerade schlecht, mein Kind? Damit kommen wir weg vom Machtkampfgedanken (zwei Gegnger) hin zum Beziehungsgedanken (mein Kind und ich).

Sobald Sie das Gefühl hinter einem bestimmten Verhalten entdeckt haben und sich darin einfühlen, können Sie es in Worte fassen oder dem Kind helfen, Worte zu finden, um sich auszudrücken. Dann wird es weniger Bedarf haben, dieses Gefühl auszuagieren.

Philippa Perry*, S. 206.

Ständig Machtkämpfe mit Kleinkind was tun?
Machtkampf? Oder ist alles Verhalten eigentlich Kommunikation? Was bedeutet es, wenn mein Kind unartig ist?

Eine Frage der Zeit

Die Idee von einem Machtkampf zwischen dir und deinem Kind basiert auf der Schreckensaussicht, wie dein Kind sich in Zukunft entwickeln wird: zu einem rücksichtslosen Tyrannen? Davon abgesehen, dass diese Fantasie haarsträubender Unfug ist, lenkt die Befürchtung den Blick weg von dort, wo du und dein Kind wirklich seid: in der Gegenwart.

Und in genau dieser Gegenwart fühlt sich dein Kind vielleicht allein. Kinder, die sich „schwierig“ verhalten, für die IST ES GERADE SCHWIERIG. Kinder machen uns NICHT absichtlich das Leben schwer, wie es ihnen gern unterstellt wird. Sondern sie geben in jeder Situation ihr Bestes – soweit es ihnen gerade möglich ist.

Das Gewinner-Verlierer-Spielchen kann zur festen Gewohnheit mutieren. Und wenn die einmal eingeschleift ist, richtet sie massiven Schaden an der Beziehung zwischen dir und deinem Kind an. Wenn du dein Kind immerzu dominieren willst, weil man dir einredet, so ginge „gute“ Erziehung, dann lehrst du deinem Kind vor allem eines: wie es andere dominieren kann. Gehorsam hat aber wenig mit sozialen Fähigkeiten, wie persönlicher Verantwortung, Engagement und Freundschaft, zu tun. Ganz wenig. Okay. Es hat nichts damit zu tun, wenn wir’s genau nehmen.

Ein „Spielchen“, wie so ein handfester Machtkampf es ist, ist außerdem das Gegenteil einer authentischen Familienbeziehung.

Willst du wissen wieso?

Es gibt in einem Spiel Rollen. Eine Rolle ist nie dein authentisches Selbst. Das ist aber, was dein Kind braucht. Face to Face. Stattdessen katapultiert ihr euch in eine Tyrann-und-Opfer-Dynamik. Was lernt dein Kind? Entweder wird es selbst zum autokratischen Tyrannen oder es richtet sich in der Opferrolle häuslich ein.

Ständig Machtkämpfe zu verlieren, also andauernd Demütigungen zu erfahren, wirkt sich außerdem schlecht auf die emotionale Entwicklung aus. Demütigungen führen zu Wut. (Nicht, wie man vermuten könnte zu Demut.) Die Wut eines Kindes richtet sich dann entweder nach außen (hier mein Artikel über Aggression), nach innen (daraus entstehen Depressionen) oder gegen die ganze Welt. Letzteres erwächst sich gerne zu asozialem Verhalten.

Alles keine schönen Zukunftsaussichten.

Deswegen lassen wir das mit dem Blick in die Zukunft einfach mal bleiben und gesellen uns stattdessen zu unserem Kind:

In die Gegenwart

Ein Kind kann ausschließlich in der Gegenwart leben. Das ist Fakt.

  • Wenn du im Baustress lebst, aber die Aussicht darauf hast, bald mit deiner Familie in einen supertollen Neubau zu ziehen – sorry. Bei deinem Kind kommt nur Stress an.
  • Wenn du erschrocken auf die Uhr siehst und wegen eines dringenden Termins dein Kind packst und in den Buggy stopfst – dein Kind wird einzig durch eine übergriffige Geste verunsichert.
  • Wenn du in Gedanken schon beim möglicherweise schwierigen Schulstart bist – dein Kindergartenkind empfindet nur, dass du unzufrieden mit ihm bist, weil du dauernd darauf rumhackst, dass die 8 vor der 9 kommt.

Bis hierhin ist dir das wahrscheinlich selbst klar. Aber hattest du – wie ich – nicht auch schon mal so ähnliche Gedanken wie:

  • Wie soll ich ihr das jemals abgewöhnen?
  • Was ist, wenn er niemals ohne dieses Schnuffeltuch aus dem Haus gehen wird?
  • Was ist, wenn sie nie lernt, alleine einzuschlafen?
  • Was ist, wenn er nie wieder bereit sein wird, beim Essen ordentlich am Tisch zu sitzen?
  • Wird sie das überhaupt irgendwann lernen?

Aber: Fast alles im Leben eines Kindes ist nur eine Phase. Einmal verinnerlicht ist diese Botschaft ein echter Game Changer, denn sie bedeutet: Es ist völlig okay, wenn du dich daran anpasst, was aktuell funktioniert. Dann ist es jetzt eben Stillen im Herumlaufen. Dann mag es eben das bestimmte Lied zum Einschlafen. Dann putzen wir eben die Zähne, während Junior auf dem Küchentisch sitzt. Na und?

Sicher: Deine eigenen Grenzen zu überschreiten, macht auf Dauer alle in der Familie unglücklich. Respektiere dich, indem du deine eigenen Grenzen wahrst. Aber einer unbegründeten Zukunftsangst wegen Druck, Streit und schlechte Stimmung aufbauen?

Ich persönlich finde: Druck rauszunehmen ist im Zweifel doch immer die schönere Alternative.

Philippa Perry* weist in dem Zusammenhang auf das Reizthema Schlafen hin:

Wenn der einzige Weg, wie alle ein bisschen Schlaf bekommen, darin besteht, dass man zwei Doppelbetten zusammenschiebt und die ganze Familie hineinstapelt, dann machen Sie sich keinen Kopf um morgen: Schlafen Sie heute Abend. Irgendwann werden Ihre Kinder ihre eigenen Betten wollen. Sie werden genug haben von Ihrem Geschnarche.

Wenn das, was funktioniert hat, nicht mehr funktioniert, führen Sie eine Änderung ein, aber eine, bei der alle gewinnen. Soweit das möglich ist. Oder zumindest eine, bei der es keine Gewinner und Verlierer gibt.

Perry*, S. 209.

Also: Wie wäre, statt sich ständig um morgen zu sorgen, mal ein neuer Familiengrundsatz? Wir halten uns an das, was sich in der Gegenwart gut für alle anfühlt, anstatt ständig daran zu verzweifeln, was vielleicht eventuell möglicherweise in der Zukunft schiefgehen könnte.

In der Zukunft

Schön und gut, denkst du jetzt vielleicht, aber ich will für die Zukunft trotzdem, dass mein Kind sich artig verhält. Dass es sich in der Öffentlichkeit angemessen benehmen kann. Dass es nicht ständig ausrastet. Dass es sich vernünftig mitteilt.

Dazu muss dein Kind allerdings erst mal diese vier Grundfähigkeiten entwickeln:

  • Frustrationstoleranz
  • Flexibilität
  • Empathie
  • Problemlösungskompetenz

(vgl. Perry*, S. 210.)

Die enttäuschende Nachricht: Diese Fähigkeiten kannst du nicht erzwingen.

Die motivierende Nachricht: Diese Fähigkeiten entwickeln sich von ganz allein, wenn die neuronalen Schaltkreise im Oberstübchen deines Kindes beschließen: Jetzt ist es an der Zeit dafür.

Hier gilt also wieder: Druck raus, Tee trinken, die „Phase“ an sich vorbeiziehen lassen.

Was aber heißt das jetzt im Einzelnen?

Zurück zum Eingangsbeispiel: Vom Mond aus betrachtet, ist es völlig egal, ob ihr 5 oder 20 Minuten nach Hause braucht. Wenn du die Einkaufstüten abstellst, dich neben dein Kind hockst, siehst du vielleicht, dass es sich auf einen Käfer konzentriert, der die Stufe entlang krabbelt.

Welche Vorteile hat dein Gehirn gegenüber dem deines Kindes?

  • Wenn dein Kind deinem entspannten Abendessen im Wege steht (oder sitzt), kannst du dein Gefühl der Frustration aushalten, ohne auszuflippen. Ziemlich cool.
  • Außerdem bist du flexibel in deinen Erwartungen – statt zwanghaft (wie es Kleinkinder oft sind) weiterzulaufen, um das 5-Minuten-Ziel zu schaffen. Du disponierst um und legst halt eine Pause ein. Noch cooler.
  • Du erkennst das Problem mithilfe von Einfühlungsvermögen: dass dein Kind von den vielen Reizen während des Einkaufs eine Pause braucht (supercool!), und löst es, indem du dich mit ihm auf den Käfer konzentrierst. Fast so cool wie Meditation, oder?

Situation gerettet. Kein Kampf. Keine Verlierer. Nur zwei, die ihre Beziehung stärken. Verspätung letztendlich: 4 min 30 sek.

Da dein Kind dich nachahmt – ob du willst oder nicht – lernt es diese Fähigkeiten mit der Zeit ganz von allein. Wann es das lernt, kannst du allerdings kaum beeinflussen. Jedes Individuum hat seinen eigenen Lebensrhythmus. Das eine Kind fängt mit 9 Monaten schon an zu sprechen, das andere ist mit 3 noch bei Drei-Wort-Sätzen. Kein Problem. Es ist wichtig, dass dein Kind die Zeit bekommt, die es braucht. In jeder Hinsicht. In jeder „Phase“ seiner Entwicklung.

[Dein Kind] zu beruhigen und zu akzeptieren, in welcher Phase es sich auch befindet, wird eher dazu beitragen, es in die nächste Phase zu stupsen. Es hilft nichts, wenn man die Geduld mit ihm verliert.

Perry*, S. 211.

Wenn dein Kind sich also „daneben benimmt“, weil es keine Frustrationstoleranz hat, unflexibel und emotional überschäumend reagiert, ist das in den meisten Fällen entwicklungsgerecht. Es kämpft mit Frust. Das war’s.

Wie schon gesagt: Dein Kind macht dir NICHT absichtlich das Leben schwer. Sein Leben ist in dem Moment gerade schwer. Gilt für die Autonomiephase gleichermaßen wie für die Pubertät.

Gegen gesellschaftlichen Druck

Wenn dein Kind ausrastet, sich daneben benimmt und besonders in der „Öffentlichkeit“ unartig ist, dann kann dir schon mal die Behauptung entgegenschlagen, du seist du „lasch“ in der Erziehung und ein wenig mehr Strenge würde das schon richten.

Das stimmt nicht.

Es gibt sowohl Kinder, die locker erzogen werden und sich angepasst verhalten, als auch superstrenge Eltern mit rebellischen Wutknirpsen.

Noch einmal: Kinder sind keine Objekte, in die man A hineingibt, um B zu erhalten. Sie sind Subjekte. Individuen, die unseren Respekt verdienen.

In Bezug auf die vier wichtigen Grundfähigkeiten von weiter oben ist es nicht wichtig, welchen Erziehungsstil du verfolgst. Entscheidend ist stattdessen, wann das Gehirn deines Kindes reif dafür ist und wie schnell es Frustrationstoleranz etc. erlernt.

Ein langer Weg

Zugegeben: Deinem Kind in allen Entwicklungsphasen bereitwillig die Zeit zu schenken, die es braucht, kann anstrengend sein und dir ewig erscheinen.

Ich weiß. Du willst jetzt jemanden, der dir beim Ausräumen der Spülmaschine hilft. Und du willst jetzt, dass dein Kind vorbildlich kooperiert, wenn’s darauf ankommt. Und du willst jetzt, dass dein Kind sich höflich für das Geschenk bei Tante Erika bedankt.

Aber wir müssen unsere egoistische Angst vor peinlichen Situationen verbannen. Das führt nämlich sonst dazu, dass wir unser Kind demütigen, indem wir es wie einen Hund abrichten. Stattdessen können wir uns selbst bei Tante Erika bedanken. Zack: Anstand gewahrt, gutes Vorbild abgegeben, Erika glücklich.

Dein Kind lernt wahre Dankbarkeit nur dadurch, dass du sie ihm vorlebst. Wie es auch alles andere dadurch lernt, dass es Dinge vorgelebt bekommt und – schlichtweg – wächst.

Klar kann es unglaublich nerven, wenn dir dein Kind zum 57. Mal eine Tasse Kaffee aus seiner Kinderküche spendiert. Aber bitte: Nimm sie freundlich entgegen.

Das ist keine verschwendete Zeit.

Es ist investierte Zeit. ♥

Entspannte Grüße

Anne

Literatur:

Juul, Jesper: Leitwölfe sein. Liebevolle Führung in der Familie, Beltz 2019.*

Perry, Philippa: Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen (und deine Kinder werden froh sein, wenn du es gelesen hast), Berlin 2020.*

Graf, Danielle und Seide, Katja: Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn. Der entspannte Weg durch Trotzphasen, Beltz 2019.*

Ich lade dich herzlich ein, diese Gedanken zu teilen.

Kleinkind, Machtkampf, Verhalten ist Kommunikation

Kommentare (19)

  • An sich stimme ich vielem zu: locker bleiben hilft wirklich!
    Das Kind isst eine Mahlzeit lang nix? Ist doch egal, Kind wird nicht verhungern. Unsere Tochter möchte gerade immer nach ein paar Bissen schon ihr Süßie, kriegt sie auch, dann isst sie weiter ohne Kampf. Hatten erst ein schlechtes Gewissen, weil das ja „nicht so laufen sollte“. Aber wieso eigentlich nicht?
    Sie darf bei uns im Bett schlafen und wir finden es alle toll.
    Draußen laufen wir manchmal ohne Ziel und Zeitdruck mit ihr herum und lassen sie erkunden.

    Aber so rosarot geht es trotz aller Lockerheit nicht immer!
    Unsere Tochter ist 22 Monate alt und rennt gerade immer wieder auf die Straße. Ich hole sie zurück oder halte sie auf und versuche mit ihr darüber zu reden. Macht sie danach gleich nochmal. Manchmal so oft, dass es nur hilft sie unter Geschrei wegzutragen.
    Oder man möchte, dass das Kind endlich die letzten Meter mit nach Hause kommt. Reden, Fahrzeug anbieten, Arm anbieten, „Spiele“ anbieten bringen nix, sie legt sich dann grad immer auf den Boden und bleibt da liegen. Oder rennt in die andere Richtung.
    Ich bin schwanger und kann ihr nicht gut hinterher rennen, muss zudem oft dann dringend auf Toilette, da habe ich keine Zeit ewig auf sie einzugehen.

    Locker bleiben hilft oft, aber nicht immer.
    Ich glaube kaum, dass es ganz ohne Machtkämpfe geht, auch wenn ich das gerne so erleben würde.
    Manchmal will das Kind einfach KEINE ALTERNATIVE. Ich denke die Kleinen sind oft schlichtweg mit sich selbst überfordert.
    Rücksichtnahme auf das Kind ist sehr wichtig, wenn aber Gefahr droht oder eigene dringende menschliche Bedürfnisse im Weg stehen, kann man nicht immer Rücksicht nehmen.

    Wäre schön, wenn auch mal auf solche Situationen eingegangen wird und nicht nur auf die die leicht zu lösen sind.

    • Liebe Tabea,
      danke für deinen ausführlichen Kommentar und Glückwunsch zur Schwangerschaft! Ich kann dich so gut verstehen, in meiner zweiten Schwangerschaft war meine Tochter erst reichlich ein Jahr und ich hatte die gleichen Probleme.
      Wie stark von dir, dass du trotzdem immer erst den liebevollen Weg versuchst.
      Ich stimme dir völlig zu: Kleinkinder sind Kleinkinder, und das zieht nun mal Konflikte nach sich. Auch ich habe schon soo oft, meine brüllenden, protestierenden Kleinkinder zu ihrer Sicherheit oder aus einem dringenden eigenen Bedürfnis heraus geschnappt und eine Frustexplosion dafür geerntet. Aber ich persönlich sehe das nicht als Machtkampf an.
      “Machtkampf“ heißt für mich: Wir spielen ein Gewinner-Verliererspiel. Alle anderen herausfordernden Konflikte gehören für mich einfach zum Familienleben dazu. Daran wachsen ja nicht nur die Knirpse.
      Für mich ist bisher die größte Lektion aus dem Leben mit zwei Kleinkindern gewesen: Ich kann ihren Frust zu ihrem Wohl und ihrer Sicherheit aushalten. Und zwar wertfrei. Ohne dass mein Blutdruck in schwindelerregende Höhen schießt. Und ich kann sagen: Das war echt schwer für mich. 😀

      Insofern denke ich, dass wir zwei “Machtkampf“ unterschiedlich definieren. Alles ändere sehe ich genau wie du.

      Kleinkinder sind einfach oft ein bisschen … verrückt. 🙂

      In diesem Sinne: Eine schöne Schwangerschaft noch und weiterhin dir und deiner Familie alles Liebe!
      Anne

  • Hallo.
    Ich finde den Artikel super! Danke dafür!
    Ich bin Erzieherin aus Leidenschaft und Mutter eines 16 monate alten jungen der gerade ganz in die autonomiephase kommt. Ich sehe es auch so, dass man die Kinder immer ernst nehmen sollte. Wir Erwachsenen sind oft viel zu verkopft und verplant, als das wir unseren Kindern ihre Möglichkeiten ausleben lassen. ABER es gibt auch Situationen in denen wir die Kinder auch schützen müssen….wie in deinem Beisp. Tabea mit dem weg auf die Straße…oder sei es auf etwas drauf oder runter klettern, wobei sie schlimm stürzen oder ähnliches…keiner würde den kleinen ein großes Kochmesser geben,nur weil es das gerade möchte….. aber es ist immer die Frage: wer hat gerade das Problem? Habe ich gerade ein Problem, was ich auch aushalten könnte oder muss mein kind lernen ein Problem auszuhalten….. ?
    Mich stresst es auch sehr häufig. Vorallem das anziehen um nach draußen zu gehen…. oder das er haut, wenn er frustriert ist….
    Wir müssen die kinder mehr begleiten als ihnen zu sagen wo genau es lang geht…die Richtung reicht oft aus.
    Alles Liebe
    Valeska

  • Hallo

    Danke für diesen wundervollen Artikel.
    Ich bin selbst Mama einer 6 Monate alten Tochter und zudem noch Erzieherin. Die Machtkämpfe in der Kita sind einfach nur furchtbar für mich gewesen. Den lieben langen Tag gab es nur Zeitdruck, Eile, Machtkämpfe (nicht nur mit den Kindern) usw. Es war alles überhaupt nicht kindgerecht, geschweige denn angenehm zu arbeiten.
    Seit ich im Beschäftigungsverbot war und auch jetzt in der Elternzeit habe ich eine ganz andere Sicht der Dinge und überlege wirklich den Beruf zu wechseln… Ich arbeite gerne mit Kindern aber nicht unter diesen Bedingungen….
    DEIN Artikel hat mich nun noch mehr in meiner Entscheidung gestärkt eine entspannte Mama zu sein. Meine Tochter soll ohne diesen Zwang der Gesellschaft, ohne dauernden Zeitdruck aufwachsen….
    Und wir spüren auch schon die ständigen Kommentare und Blicke der anderen.
    Einige Beispiele
    Du stillst aber nur bis sie 1 Jahr alt ist, alles andere ist zu lange.
    Wie sie schläft noch neben euch im Bett?
    Was du gibt’s kein Brei?
    Ihr verwöhnt sie aber zu sehr wenn ihr sie immer trägt…..

    Usw usw….

    Ich begleite meine Tochter in ihrer Entwicklung ohne Ziehen und Zerren.

    Danke für den schönen Artikel
    LG Sonja

  • Liebe Anne, liebe Valeska,

    Danke für eure Kommentare.
    Ja, das stimmt, vielleicht hab ich Machtkampf anders ausgelegt. An sich schütze ich ja mein Kind (oder mal meine Bedürfnisse) und dann muss man das ja nicht unbedingt als Machtkampf deuten.
    Eigentlich sehe ich es genau wie ihr, aber mein Kopf war da glaube ich zu voll von diesen Mama-Blogs, die ihre Kleinkinder ALLES (teilweise sogar Dauer des Fernsehkonsums) bestimmen lassen, hauptsache kein Geschrei und das Kind ist zufrieden, denn alles andere ist ja „Gewalt“ (bin ich froh, nicht auf den Quatsch reingefallen zu sein. Aber ein schlechtes Gewissen haben mir solche Artikel denke ich gemacht).

    Perfekt gibt es nicht und wenn man es liebevoll versucht, hat man denke ich schon viel gewonnen.

    Ach ja, und liebe Anne, dein Blog ist so toll, ich werde öfters kommentieren 😉

    • Liebe Tabea,
      danke wie immer für die Rückmeldung!
      Ich persönlich sehe zwei Dinge echt kritisch:
      1. Wenn (Nicht-)Erziehungstipps zu viel Druck machen.
      2. Wenn Eltern ihren Kindern gar keine Führung schenken.

      Zu 1. Wenn dir irgendetwas ein schlechtes Gewissen macht, säg es ab. Über das berühmte Mama-schlechte-Gewissen werde ich in den nächsten Tagen mal was schreiben. 🙂

      Zu 2. Den Kindern gar keine Führung angedeihen zu lassen, lässt sie m.E. in Unsicherheit zurück und schiebt ihnen sehr viel mehr Verantwortung in die Schuhe, als sie selber tragen können. Das kann belasten. Jesper Juul hat mal geschrieben, selbst sehr strenge Eltern sind besser als solche, die gar nicht führen. Wir haben die Erfahrung – wir tragen die Verantwortung. Auch für alle Konflikte. Die gehören nun mal dazu.

      Blogs, die behaupten, es ginge alles so ganz ohne Konflikte, schüren (finde ich) zu viel Druck. Spätestens wenn man durch’s Lesen das Gefühl kriegt, mit sich und seinem Kind wäre was nicht in Ordnung, ist das bedenklich, finde ich.

      Da bin ich sehr bei dir, wenn du meinst, du bist auf so was zum Glück nicht reingefallen. 🙂

      Geh deinen Weg.
      LG

  • Hallo Anne,
    ich finde mich in deinen Worten ständig wieder. Einerseits wie ich als Mutter sein möchte und andererseits wie es mir schwer fällt im Alltag meine Erziehungshaltung umzusetzen.
    Ich habe zwei Söhne einen knapp Dreijährigen und einen mit drei Monaten.
    Mein großer Zwerg schwimmt momentan in einem Meer von Gefühlen, das häufig in Wut oder Frust und dann in Spucken und Hauen endet. So richtig weiß ich noch nicht wie ich damit umgehen soll wenn er mich dann anspuckt oder haut…dies kann urplötzlich in einer Situation entstehen z.B. wenn er Zähne putzen soll…auch wenn ich ihm zuvor die Gelegenheit gebe sich zeitlich darauf einzustellen und er auch selbst putzen darf/oder eben nicht wenn er nicht möchte… ich versuche seine Gefühle dann zu spiegeln, aber ich möchte auch nicht angespuckt werden.
    LG Franzi

  • Guten Tag,

    Ich bin auf diesen Artikel aufmerksam geworden weil ich mit meinem 2 jährigen Jungen mitten in einer „Autonomie-Phase“ stecke und nach Hilfe suche. Ich bin sehr sehr geduldig und trotzdem an meine Grenzen gestoßen und dieser Artikel und auch weitere von dir liebe Anne geben mir Kraft und öffnen mir die Augen bzw. bestätigen mich in meinem Mutter sein. Mein kleiner Zwerg schmeißt gerne Sachen rum, dabei konnte ich noch nicht festmachen aus welcher Situation heraus er das tut. Er macht es einfach aus dem nichts heraus (vielleicht um zu gucken wie wir reagieren?!) damit werde ich noch fertig aber noch frustrierender für mich ist es, wenn er plötzlich an den Haaren zieht oder kratzt. Ohne Ersichtlichen Grund, das macht mich sprachlos und traurig. Ich versuche das liebevoll zu kommunizieren doch meinem Partner Platz mittlerweile die Hutschnur und wir wissen nicht mehr weiter ‍♀️. Ansonsten ist er ein aufgeweckter lebensfroher und liebevoller Wirbelwind der gerne teilt. Ich atme tief durch und verinnerliche deine Aussage, dass es nur eine Phase ist und vorbei gehen wird. Hoffentlich.
    Vielen Dank für diese wunderbaren Beiträge, durch die ich viel über mich selbst erfahren durfte!!

    • Liebe Lea,
      danke für deine Wertschätzung und dafür, dass du eure Erfahrungen mit uns teilst. Wisse, dass ihr nicht alleine seid: Kleinkinder können manchmal eine irre Heruasforderung sein, und ich kenne niemanden, der nicht manchmal verzweifelt ist und kurz vorm Wahnsinn steht.
      Ganz liebe Grüße und alles Gute euch!
      Anne

  • Liebe Anne,
    herzlichen Dank für all deine tollen Artikel und die klaren Worte! Die sind genau das, was ich gerade brauche, um den Knoten im momentanen täglichen “Machtkampf” zu lösen, zwischen meiner wunderbaren 4jährigen Tochter und mir als Mama, die in stressig empfundenen Situationen dazu neigt, in selbst erfahrene Muster der “Kinder müssen auch mal funktionieren -Erziehung” und des “Was denken/erwarten andere von mir” zu verfallen.

    Liebe Grüße
    Juliane

    • Liebe Juliane,
      vielen Dank für deine Wertschätzung und deine Zeilen.
      Ich wünsche deiner Familie und dir alles Gute und eine entspannte gemeinsame Zeit. ♥
      Anne

  • Liebe Anne,

    Danke für den Artikel und dass du alles so Bildlich beschreibst. Ich habe wundervolle, völlig verschiedene und mamchmal auch sehr anstrengende Zwillinge, im Alter von 21 Monaten. Ich habe fast täglich die Situation, dass ich schlichtweg einfach überfordert bin, weil mein Sohn schonwieder irgendwo raufklettert, wo er nicht raufklettern soll, während meine Tochter ihre Trinkflasche oder ihr Essen durch die Gegend schmeißt. In solchen Situationen ruhig zu bleiben gelingt mir äußerst selten, denn sie schaukeln sich beide gegenseitig hoch und ich kann einfach nicht mehr (dabei gehe ich aktuell noch nicht einmal wieder arbeiten) .
    Fast täglich sitze ich dann da und habe mit den Tränen zu kämpfen, weil ich so einfach nicht sein will! Ich gebe ihnen so viel Liebe und will eigentlich auch nichts anderes tun. Und dann habe ich doch wieder die Beherrschung verloren und bin laut geworden, weil ich keine Kraft mehr habe.

    Vielleicht hast du einen Tipp, wie man gelassen bleiben kann, wie man eben 10 Minuten den Käfer beobachten kann, während da ein zweites Kind steht, was vielleicht unbedingt weitergehen will?

    Liebe Grüße

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Ich bin Anne, leidenschaftliche Schreiberin und immerfort lernende Mutter zweier Kinder. Süchtig nach anspruchsvollen Büchern und mit einer Schwäche für ausgezeichneten Schwarztee. Auf meinem Blog WELTFREMD setze ich mich seit 2019 für friedvoll-authentische Elternschaft ein und kläre über Entwicklungstrauma auf. ♥

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